Es gibt Menschen, auf die die Anziehungskraft der kanadischen Hänge und Gebirgs-panoramen so stark wirkt, dass sie ihr ganzes Leben darauf ausrichten. Was fasziniert sie so sehr daran: der Adrenalinkick, die Abgeschiedenheit, der unnachahmliche Ausblick? Oder gar alles gleichzeitig? Die visuell beeindruckende Produktion „This mountain life“ ist mehr als nur ein Naturfilm. Denn die Doku richtet ihren Blick mindestens ebenso stark auf die Menschen, die in dieser mystischen Bergwelt leben oder sie durchqueren.

Die Gründe, wieso Menschen Berge lieben und es sie in die alpine Natur hinauszieht, sind vielfältig. Und doch wagen sich die meisten Einheimischen in einem Gebiet, das zu 75 Prozent aus Hochflächen besteht, nur selten in die gefährliche Natur. Die Rede ist von den Bergwelten in British Columbia. In ihrer Doku „This mountain life“ zeichnet Grant Baldwin ein intimes Porträt der verschneiten Coast Mountains in Kanada sowie einiger Personen, deren Leben mit den beeindruckenden Riesen verbunden ist.

Grant Baldwin fungierte bei seinem ersten Film seit 2014 als Regisseur, Kamermann und Cutter. Bekannt wurde er vor einigen Jahren mit seiner vielfach prämierten Doku „Just eat it“, die sich mit der globalen Lebensmittelverschwendung befasste. Er realisierte zudem einige Spielfilme und Sportreportagen. Baldwin, der selbst aus Kanada stammt, drehte „This mountain life“ unter anderem im Rahmen einer Bergüberquerung von Squamish, British Columbia, bis nach Alaska.

Schon die ersten Minuten des Films sind geprägt von betörenden Bildern, die die imposanten Gebirgsketten einfangen. Die Kamera folgt einem älteren Mann, der sich seinen Weg durch die Weiten der Schneelandschaft bahnt. Es ist Simon Beck, der erste und berühmteste Schneeschuhkünstler der Welt. Er bewegt sich auf genau festgelegte, bestimmte Weise fort. Jeder Schritt ist wohlüberlegt und wenn sich die Kamera allmählich von Beck wegbewegt und das Szenario von Oben filmt, wird klar, wieso: Er kreiert geduldig gewaltige Formen im unberührten Schnee, wodurch ein überdimensionales, an ein Ahornblatt erinnerndes Kunstwerk entsteht.

Es ist der gelungene Einstieg in einen Film, der die Schönheit der kanadischen Gebirgsnatur in einer Vielfalt einfängt, wie man sie selten zuvor gesehen hat. Baldwin bedient sich unterschiedlicher visueller Stile und technischer Methoden, um dem Zuschauer – im wahrsten Wortsinne – verschiedene „Blickwinkel“ auf die unberührte Region zu gewähren. Andererseits nutzt er seine Zeitraffer-, Luft- und Makroaufnahmen auch, um das Leben vor Ort einzufangen. Und für dieses „Leben“ stehen die vielen Protagonisten, die in „This mountain life“ auftreten. Darunter die Fotografin Martina Halik und ihre Mutter, die Baldwin bei einem waghalsigen Unterfangen mit der Kamera begleitet.

Martina und ihre Mutter Tania versuchen auf Skiern die Coast Mountains komplett zu durchqueren. 2300 Kilometer und ein halbes Jahr durch die schneebedeckte Wildnis. Ihre Wanderung bildet den erzählerischen Rahmen des Films. Baldwin reicht es aber nicht, die beiden Frauen mit seiner Kamera einfach nur stoisch „abzufilmen“. Er will sie kennenlernen und deren Wesenszüge sowie Charaktereigenschaften auch dem Zuschauer nicht vorenthalten. So führt er intensive Gespräche mit ihnen und befragt sie zu ihrer Motivation und Vergangenheit. Wichtige Ereignisse und einschneidende Erlebnisse aus ihrem Leben, visualisiert er zudem durch tolle Animationen und Tricksequenzen.

So verfährt der Filmemacher unter anderem auch noch mit einem langjährigen Alpinisten und Bergführer, einem fast von einer Schneelawine getöteten Profi-Fotograf sowie einem älteren Ehepaar. Diese Beiden stehen für die schönste, herzerwärmendste Geschichte des Films. Seit über 50 Jahren bewohnt dieses Paar, vom Versorgungsnetz abgeschnitten, hoch oben in den Bergen ein selbst erbautes Haus. Sie leben von und mit dem, was die Natur hergibt, ganz weit weg vom Stress und der Hektik unserer Großstädte.

(www.programmkino.de)

Kanada 2018
FSK
ab 6
Länge
76
Genre
Dokumentarfilm
Regie
Grant Baldwin